Scheitern verboten: Ist Erfolg in unserer Gesellschaft zur Pflicht geworden?
Hier auf dem Karriere Blog und in der Kategorie It’s Fem! erwarten euch normalerweise spannende Reports und Kolumnen rund ums Thema Erfolg. Heute soll es hier aber zu Abwechslung einmal um die andere Seite der Medaille gehen: das Scheitern. Wir haben verschiedene Strategien rund ums Failure Management genauer unter die Lupe genommen und dürfen euch nun hier unsere Erkenntnisse präsentieren!
Niederlagen bewältigen: Scheitern als Chance?
Mit unserem modernen, erfolgsbetonten Mindset geht unweigerlich ein besonderes Phänomen einher: Wir haben begonnen, auch das Verarbeiten von Niederlagen zu zelebrieren. Mittlerweile gibt es sogar schon in unserer verhältnismäßig kleinen Heimatstadt regelmäßige Get-Togethers unter dem Motto „Fuckup-Night„, bei denen gescheiterte Unternehmer von ihren Abenteuern berichten.
Aber was steckt hinter derartigen Mottos? Sind sie nur glorifizierte Coping Mechanismen oder macht uns eine Niederlage tatsächlich auf lange Sicht erfolgreicher?
Um dem Karrieretrend „Scheitern als Erfolg“ auf den Grund zu gehen, müssen wir uns zunächst fragen, welche gesellschaftlichen Vorraussetzungen die Entstehung einer solchen Strömung überhaupt erst ermöglichen. Vermutlich sagt da vielen von uns schon das Bauchgefühl, dass für diese Entwicklung wieder einmal hauptsächlich die viel zitierte Ellbogengesellschaft verantwortlich ist.
Denn nur in einer freien Marktwirtschaft, voll von starken Wettbewerbsstrukturen, entstehen ausgeprägte Gegensätze von Erfolg und Scheitern. Diese Grundvorraussetzungen verbinden sich aktuell mit einem weiteren Faktor: In der Ära der Online-Karrieren kämpft plötzlich eine ganze Welle von neuen Selbstständigen und Start-Ups auf einem riesigen virtuellen Schlachtfeld ums Überleben.
Müssen wir jetzt auch noch erfolgreich scheitern?
Ein großer Schluck Leistungsdruck
Noch vor 50 Jahren sah die Situation ganz anders aus – erfolgreich im Job zu sein hieß damals in der Regel nicht, sich selbst zu verwirklichen, sondern eher eine langersehnte Gehaltserhöhung zu bekommen. Scheitern war dementsprechend in einem Anstellungsverhältnis auch nichts, was man selbst zu verschulden hatte – eine Entlassung konnte man guten Gewissens auf die Missgunst der Chefetage oder einen Stellenabbau schieben.
Heute eröffnen sich uns unendlich viele Möglichkeiten, uns selbst zu verwirklichen – doch mit diesem Segen sucht uns leider auch der Fluch des Erfolgsdrucks heim. Waren es früher nur einige wenige, die die Verantwortung für die Zukunft eines Unternehmens zu tragen hatten, suchen heute viele den Erfolg als Selbstständige – nicht zuletzt deshalb, weil er Dank diverser positiver Paradebeispiele zum greifen nahe scheint.
Doch was passiert, wenn der eigene Plan nicht so gut aufgeht, wie der der anderen? Welche Notfallstrategie bringt einen wieder auf die Beine, wenn das eigene Unternehmen schweren Herzens als gescheitert erklärt werden muss? Viele Life Coaches raten uns heute, Scheitern als Weg zu sehen – nur leider bekommt man in Artikeln und Seminaren zu diesem Thema meist nur vage Weisheiten und keine konkreten Lösungsansätze präsentiert.
Für viele entsteht durch das Credo „Scheitern als Chance“ aber keine positive Grundstimmung, sondern eher noch zusätzlicher Leistungsdruck. Als ob man sich nicht ohnehin schon 95 % seines Lebens nur mit dem Vorantreiben des eigenen Erfolgs beschäftigt hätte – jetzt soll man auch noch erfolgreich Scheitern?
Es gibt kein Geheimrezept für den Umgang mit Erfolg und Misserfolg.
Scheitern – was heißt das eigentlich?
Ein weiteres Problem beim Gescheiterten-Kult entsteht schon in der Definition an sich. Wann hat man denn nun wirklich versagt? Beim Privat-Konkurs? Oder wenn man nach 3 Jahren immer noch keinen Erfolg in der Online-Branche hat und sich selbst nur einen Hungerlohn auszahlen kann? Oder vielleicht sogar dann, wenn man als Frau im Job nicht erfolgreich sein kann, weil ungeplante Kinder die unternehmerischen Vorhaben zu Nichte gemacht haben?
Die Entscheidung wann es Zeit ist, ein Projekt als gescheitert zu erklären, ist eine ebenso persönliche, wie die Wahl des individuellen Coping Mechanismus. Auch wenn es uns Lebens-Gurus gerne weismachen – jeder der schon einmal in der ein oder anderen Form beruflich oder privat gescheitert ist weiß: Es gibt kein Geheimrezept für den Umgang mit Erfolg und Misserfolg.
Schon klar, genauso wie wir alle gerne als Frau im Job erfolgreich wären und die perfekte Strategie für die Vereinigung von Beruf und Familie hätten, hätten wir auch gerne die Gewissheit, das eine aktuelle Niederlage einen späteren Erfolg bedeutet. Leider kann man aber aus dem großen Pool an Literatur zum Thema Scheitern scheinbar vor allem das lernen, was uns auch schon ein Pop-Hit eindringlich erklärt hat: „What doesn’t kill you makes you stronger.„
3 Tipps, die das Scheitern besser verträglich machen
Wir wollen hier bei It’s Fem! nicht noch zusätzlich zum Leistungsdruck rund ums erfolgreiche Scheitern beitragen – deshalb möchten wir euch mit diesen 3 ermutigenden Tipps motivieren, euren eigenen Weg zu finden:
- Erfolg und Leidenschaft sind 2 Paar Schuhe!
Vielleicht klingt das jetzt wie die Aussage einer neunmalklugen Oma, aber: Erfolg ist oft kein Glück. Scheitern aber ebenso nicht. Wenn man zurück auf ein gescheitertes Projekt sieht kann es oft hilfreich sein, nicht strategische Fehler in den Vordergrund zu rücken oder sich vorrangig auf die gewonnene Lernchance zu konzentrieren. Für das mentale Wohlbefinden kann es vielmehr hilfreich sein, sich darauf zu fokussieren, welche positiven Emotionen einen während dem Projekt begleitet haben. Es mag jetzt kitschig klingen, aber wenn man etwas geliebtes verliert, denkt man am besten an die gute Zeit zurück, die man zusammen verbracht hat. Alle strategischen Maßnahmen sollten erst dann überdacht werden, wenn man sich emotional erholt hat. - Your Failure, your Choice!
Auch wenn es uns die Gesellschaft oft suggeriert – es besteht überhaupt kein Zwang, einem bestimmten Coping Mechanismus zu folgen. Start-Ups sind, genau wie ihre Gründer, komplett individuell und deshalb kann auch jeder frei wählen, wie er mit einer Niederlage umgehen möchte. Manche ziehen Sicherheit daraus, ihre Situation professionell analysieren zu lassen und wagen auf Basis dieser Erkenntnisse einen Neustart in der selben Sparte. Andere verarbeiten ihre Erlebnisse und Erkenntnisse in Artikeln und wollen so Unternehmern in einer ähnlichen Lage helfen. Wieder andere knallen sprichwörtlich die Türe hinter ihrem gescheiterten Projekt zu und wenden sich etwas völlig Neuem zu, das mit ihrem vorherigen Berufsfeld nichts zu tun hat. - Scheitern gehört einfach dazu!
Auch wenn uns die Medien oder besorgte Freunde vielleicht einen anderen Eindruck vermitteln – Scheitern ist kein Ausnahmezustand sondern eigentlich der Regelfall. Schon allein der bloße Zufall erlaubt es nicht, dass alles was jemand versucht immer in Erfolg gipfelt. Oft erwischt einen der berufliche Misserfolg so unverhofft wie eine Grippe. Vielen hilft da nur Humor und eine Schulter zum Anlehnen über eine solche Laune des Schicksals hinweg. Scheitern gehört eben einfach dazu!
Wie haltet ihr es mit dem heldenhaften Scheitern? Wart ihr selbst schon einmal in einer Situation, wo es besser war, das Handtuch zu werfen? Wir sind gespannt auf eure Geschichten und Erfahrungen!
Fotocredits: Unsplash
ein ganz, ganz toller Beitrag liebe Reni!
irgendwie mussten wir da ja alle schon mal durch – ich denke, zumindestens die meisten … aber es gehört eben im Leben auch einfach dazu, dass nicht immer alles glatt läuft. ob diesen „Fehlversuch“ dann als Scheitern bezeichnet, ist sicher eine Sache des Bemessens :)
❤ Tina von Liebe was ist
Liebe was ist auf Instagram
Genau so ist es!
Sehr interessanter Artikel. 😍
Vielen Dank!!
Liebe Verena! :-)
Das ist ein sehr interessanter Beitrag, denn ich verschlungen habe! Und ich denke, dass jeder mal scheitern muss bevor man zum wahren Erfolg kommt. :-)
Liebe Grüße,
Sabina (@girlmeetsworldbysabina)
Da ist vielleicht was Wahres dran! :)
[…] Egal ob selbstständig oder angestellt – kleine Tiefs im Arbeitsalltag machen jedem zu schaffen. Solche Stolpersteine sind wichtig und nützlich, denn sie motivieren uns, lösungsorientierter mit Problemen umzugehen und stellen einen wertvollen Kontrast zu den Zuckerseiten des Berufslebens dar. (Siehe auch: Ist Erfolg in unserer Gesellschaft zur Pflicht geworden?) […]
[…] wir mit solch einem Ehrgeiz an Sachen, nur, um das bloße Scheitern zu vermeiden? Verena hat hier einen sehr aufrichtigen Artikel über das Thema […]